MALTA AS METAPHOR, Video-Installation von Myriam Thyes, 2008

Connect. Kunst zwischen Medien und Wirklichkeit, Shedhalle Zürich, Schweiz, 2011

Malta As Metaphor - 4-Kanal-Installation

Malta As Metaphor - video installation, Shedhalle Zuerich 2011

Malta As Metaphor - video installation, Shedhalle Zuerich 2011

Malta As Metaphor - video installation, Shedhalle Zuerich 2011

Malta As Metaphor - video installation, Shedhalle Zuerich 2011

Malta As Metaphor - video installation, Shedhalle Zuerich 2011

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Jörg Weule, www.7b5.de


Connect. Kunst zwischen Medien und Wirklichkeit

Eine Ausstellung mit Medienkunstarbeiten aus dem Sitemapping-Programm des Schweizer Bundesamtes für Kultur BAK, Shedhalle Zürich, 14. Juli – 11. September 2011

Künstler/innen: Stefan Baltensperger, Maia Gusberti, Felix Stephan Huber, Esther Hunziker, Anja Kaufmann + Roman Häfeli, knowbotiq, Marcus Maeder + Jan Schacher, Norient (Thomas Burkhalter, Michael Spahr, Simon Grab), Max Rheiner, Myriam Thyes, Ubermorgen.com, Christoph Wachter + Mathias Jud.
Kuratorinnen: Anke Hoffmann, Yvonne Volkart

Intelligente, allseits verfügbare und auf unsere Bedürfnisse hin zugeschnittene Technologien bestimmen und erleichtern unseren Alltag: Sie öffnen uns Türen und schliessen Fenster, führen in den Himmel oder ins nächste Kaufhaus; sie helfen uns hören und laufen, putzen und sprechen. Wir informieren, tratschen oder lieben uns heute elektronisch. Sogar Revolutionen mobilisieren sich heute virtuell. Handy, Worldwideweb, Email, WLAN, RSS Feeds, YouTube, Facebook oder Twitter bestimmen nicht nur unser Kommunikationsverhalten, sondern auch unser Sein. Neue virtuelle Communities bilden sich fast stündlich; auf Videoportalen wie YouTube oder in sozialen Netzwerken wie Facebook eröffnen sich zahlreiche Wege, der eigenen Individualität Ausdruck zu verleihen. Winzige Smartphones ermöglichen uns auf Knopfdruck, im Nirgendwo alles gleichzeitig zu erledigen und dabei erst noch Spass zu haben. Die Welt ist machbar geworden – und international. Wir können uns über verschiedenste Quellen in kürzester Zeit informieren, sie vergleichen, beurteilen und ihre Inhalte abwägen. Die Welt ist transparenter geworden, wir sind immer jederzeit und überall, so glauben wir zumindest. Dass die Freiheit trügerisch ist und wir einen hohen Preis dafür zahlen, ahnen oder wissen wir längst. Daten werden gespeichert und verkaufsfördernd ausgewertet, Google katalogisiert unsere verlinkten Wanderwege durch das Netz und veröffentlicht unsere Fotos. Die Softwares sind zwar bedienerfreundlich und sozial, doch limitiert und vorgegeben. Und wer oder was nicht digital auffindbar ist, fällt völlig aus dem Bereich der Wahrnehmung. Der Zugang zu freiem Informationsaustausch wird durch strenge (Zensur-)Bestimmungen geregelt, die wiederum fantasievoll und kämpferisch zugleich zu umgehen gesucht werden. Statt Informationsfreiheit herrscht Informationskrieg und Kampf um Aufmerksamkeit. Die Kommerzialisierung des Internets prägt seine Strukturen und politisch hegemoniale Interessen seine Zugänge. Die Kluften zwischen Arm und Reich, Nord und Süd werden nicht nur immer grösser, sondern auch neuartig verteilt. 'Connect' heisst das Wort, dessen Zauber zu einem Imperativ und einer Drohung geworden ist. Das Ausstellungsprojekt Connect versammelt 14 von Sitemapping geförderte medienkünstlerische Projekte, die unserer Meinung nach das Engagierte von Medienkunst hervorstreichen, progressive Medienästhetiken entwickeln und mit der Frage nach dem Subjektsein in einer neuen Medien- und Maschinenwelt verknüpfen. Sie machen Vorschläge, anders durch die Welt zu gehen, ob digital oder zu Fuss. Sie zeigen, dass Begriffe wie Kommunikation, Information oder Ubiquität anders verstanden werden können als gemeinhin; so ist Information nicht nur eine abstrakte Kategorie virtuellen Wissens oder rigider und ausgrenzender Informationspolitik. Vielmehr kann sie zu einer verkörperlichten und materialisierten Quelle von Erfahrung werden, bei der man, wie etwa bei der Sonifizierung oder bei Soundscapes, bisher Ungehörtes wahrnimmt. Oder mediale Kommunikation und Austausch in sozialen Netzwerken werden ganz bewusst zu aktuellen und existentiellen Lebensweisen, die sich auch für Unerhörtes öffnen müssen, das nicht in die Netzkonventionen und -rituale passt. Gezeigt werden Arbeiten, die sich mit der Ausgrenzung im digitalen Datennetz beschäftigen, die technische Filter- und Überwachungssysteme aufzeigen, in der Mitglieder eines afrikanischen Slums ihr eigenes Medienportal gründen oder in der Anekdoten und Musik Basis für einen Stadt-Rundgang bilden.

(...)

Myriam Thyes: Malta as Metaphor
Ein ruhig daliegendes Meer, auf dem alte Kriegsschiffe, Fregatten und Galeeren vorbeifahren und untergehen, am Strand der tanzende Sensemann, mit schwerer Kirchenmusik untermalt. Die Schiffe drängen riesenhaft vergrössert in den Vordergrund, bis ihre Taue und Seile durch Stacheldrähte und Maschinendrahtzäune von Abschiebegefängnissen und europäischen Aussengrenzen ersetzt werden. Immer wieder kommt es im Laufe des Films Malta as Metaphor zu solchen bildlichen Überblendungen des alten Malta mit dem neuen, so dass sich Historie und Gegenwart unentwindbar ineinanderlegen. Nach einem Moment des Stillstands geht es weiter mit der nächsten Szene, z.B. einem Flüchtlingslager. Mit diesen Strategien von Überblendung und Immersion gibt Myriam Thyes die touristisch gern besuchte Mittelmeerinsel zu einem Ort von Gewalt und Tod, Abschottung und restringierter Zirkulation zu erkennen, die schon seit Jahrhunderten dauert. Während Malta heute mit der massenhaften Ankunft von Bootsflüchtlingen aus Afrika umzugehen sucht und gleichzeitig westliche Spekulanten willkommen heisst, versuchten bereits vom 16. bis 18. Jahrhundert die Malteser-Ritter bzw. der Johanniter-Orden als eine Art Mittelmeerpolizei die westlichen Küsten des Mittelmeers und das Christentum gegen das Osmanische Reich und den Islam abzuschirmen. Davon zeugen die Relikte kriegerischer Artefakte wie Stützpunkte, Festungen, Kanonen, getragen von einem auch heute noch beinah militärisch anmutenden praktizierten Katholizismus voller Prozessionen, Rituale und dunkler Bilder. Durchbrochen von zirkulierenden Autos, leer stehenden Hotelbunkern und den traditionell als "lebende Skelette" dargestellten Verstorbenen des Johanniter-Ordens wird dies als mythisch anmutende Gleichzeitigkeit erfahrbar. Malta as Metaphor steht für die Festung Europa, die offensichtlich nicht erst in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde.

(Anke Hoffmann und Yvonne Volkart)

Die Ausstellung und der Katalog entstanden als Kooperation der Shedhalle Zürich mit dem Programm Sitemapping des Schweizer Bundesamtes für Kultur.

PDF zur Ausstellung

www.shedhalle.ch