MALTA AS METAPHOR, Video-Installation von Myriam Thyes, 2008

Malta As Metaphor - Konzept

Die Inseln Malta und Gozo vermitteln, besonders in der Jahreszeit ohne Touristen, ein intensives Gefühl für die Vergangenheit Europas, aber auch für eine psychosoziale Befindlichkeit, die heute noch unser Selbstempfinden als Europäer/innen zu beeinflussen scheint.

Ein Phänomen auf Malta ist der inbrünstige Katholizismus, der nach wie vor ausgiebig gepflegt und gefeiert wird. Der jährlichen Feiern für Heilige sind viele, Pfarreien und Gemeinden konkurrieren um die größten und schönsten Zeremonien und Kirchen. Heiligenstatuen werden durch die Straßen getragen, die Häuser sind mit Flaggen und Lichterketten geschmückt, die Festtage dauern bis in die Nacht, mit großen Feuerwerken. Das Militärische in der Musik zu den Prozessionen erinnert an Feldzüge und Kreuzfahrer.

Überall präsent ist das Wirken des Militär-Ordens der Johanniter- / Malteser-Ritter. Vom 16. bis Ende 18. Jh. verteidigten die Johanniter von Malta aus als christlich-europäische "Mittelmeer-Polizei" im Auftrag von Königen, Fürsten und Papst die Küsten des westlichen Mittelmeeres und das Christentum gegen das Osmanische Reich (Türken, Araber) und gegen den Islam. Dominant auf Malta sind die umfassenden unter den Johannitern errichteten Befestigungen.

So erlebte ich mich auf Malta in einem paradoxen Zustand - gleichzeitig sowohl auf einer Insel, als auch in einer Burg. Viele Menschen auf Malta und Gozo (410.000 Einwohner/innen) sind zwiegespalten zwischen der Liebe zu einem Leben auf der sicheren Burg und im sicheren Glauben, und der Begrenzung, die sie rastlos und unzufrieden macht. Sie rasen mit ihren (über 300.000!) Autos auf den engen Straßen Maltas und Gozos in einem Tempo, als gäbe es auf den kleinen Inseln Zeit zu gewinnen. Dichte Bevölkerung, dichte Bebauung (Wohnhäuser und Hotels), dichter Autoverkehr – auch dies ist typisch für Europa.

Malta war jahrhundertelang Schauplatz, Ausgangspunkt und Angriffsziel unzähliger Kriege und Überfälle, sowohl zwischen rivalisierenden west-europäischen Herrschern, als auch zwischen christlichen und muslimischen Mächten. Dazu kamen Piraterie, Menschenraub, Sklavenhandel, Galeerensklaven. Verschleppung, Ausbeutung und gewaltsamer Tod waren somit für große Bevölkerungsteile an den Mittelmeerküsten Alltag. Die dauernde Präsenz des Todes wird auch deutlich in den Intarsienbildern, die die Johannitergräber in der St. Johns Cathedral schmücken: Die Verstorbenen werden als “lebendige” Skelette dargestellt.

Für viele Bootsflüchtlinge aus Afrika im Mittelmeer ist MALTA das Ankunftsland. Wie die "Festung Europa" sich gegen Migranten aus Afrika "wehrt", weist Parallelen auf zur Abwehr der christlichen Mächte am Mittelmeer gegen Türken und Araber vom 16. bis 18. Jh.

Malta bildet in konzentrierter Form historische und aktuelle Phänomene Europas ab: Malta - eine psychosoziale Lupe.
Die Video-Installation MALTA AS METAPHOR zeigt Malta als Metapher für Europa - Bilder für verinnerlichte Geschichte und ihre Parallelen heute.
Die Rundumsichten im Achteck fungieren als 'innere Räume' und können auch wie falsche / künstliche Orte wirken – virtuelle Erinnerungsräume.